Das Kompetenznetz Funktionelle
Nanostrukturen wird gefördert
durch die
Baden-Württemberg Stiftung.
Kleiner, präziser und flexibler einsetzbar: Dies sind die drei zentralen Entwicklungslinien für zukunftsweisende Bauteile miniaturisierter Systeme mit komplexen Anwendungen in Synthese, Prozessierung, Analytik und Therapie. Auf der einen Seite können biogene Strukturen nano- bis mesoskaliger Größenklassen deutlich vielfältiger und gleichzeitig präziser gestaltet sein als technisch produzierte Substanz, was seit einigen Jahren weltweit zu stetig wachsendem Interesse an sich selbst replizierenden biologischen Gerüsten und Strukturbildnern geführt hat. Inzwischen konnten mit verschiedensten Biotemplaten aufgebaute funktionelle Einheiten bereits ihre Praxistauglichkeit z.B. in der Sensorik und Elektronik beweisen. Auf der anderen Seite besteht im Zuge immer weiter verfeinerter Untersuchungs- und Behandlungstechniken in den Lebenswissenschaften im Allgemeinen und der Medizin im Besonderen großer Bedarf an Nanowerkzeugen und nanofunktionalisierten Substraten, um in geeignete Wechselwirkung mit Organen, Zellen und Zellbestandteilen treten zu können. Daher nähern sich momentan technische, materialwissenschaftliche und biologische Disziplinen in diversen Forschungs- und Entwicklungszweigen einander an, was zu völlig neuen Arbeitsfeldern und Projektkonzepten geführt hat. Dank der veränderten Blickwinkel liefern sie regelmäßig überraschende Erkenntnisse mit besonderem Wert sowohl für das Verständnis elementarer Grundlagen der Zellbiologie, als auch für ein unerwartet breites Anwendungspotential. Dies ist nicht nur an der rasant steigenden Zahl internationaler Publikationsorgane mit bionanotechnischen Schwerpunkten abzulesen, sondern auch am großen Interesse von Firmenvertretern auf Konferenzen.
In der aktuellen Förderperiode wurde erstmals ein Projektbereich geschaffen, der zuvor etablierte nanoskalige Systeme aus Biologie, Physik, Chemie und Technik systematisch so zusammenführt und weiterentwickelt, dass alle Seiten davon erheblich profitieren. Erklärtes Ziel ist dabei eine ausgewogene Kombination sich komplementierender Strukturen und Methoden innerhalb des eng kooperierenden Forschungsverbunds mit dennoch ausreichender thematischer Überlappung, um einen erheblichen Zugewinn anwendungsorientierter Resultate sicherzustellen. Diese sollen längerfristig ingenieur- und biowissenschaftlich motivierte Zukunftstechnologien bedienen. Um einen besonderen, gut sichtbaren Stellenwert der vereinten Projekte zu gewährleisten, liegt der Fokus auf hier erstmals erprobten Konzepten. Alle Vorhaben zeichnet aus, dass die Interaktion zwischen biologischen und synthetischen Phasen und dementsprechend deren wechselseitige Integration in gemeinsame Systeme eine zentrale Rolle spielt.
Daher werden in zwei Projekten sensorisch und analytisch aktive Einheiten entwickelt und in verschiedenen technischen Umgebungen erprobt, um neue Strategien für miniaturisierte Detektionssysteme für komplexe Anforderungen beizusteuern (A3 und A6). Von besonderem gesellschaftlichem Interesse sind dabei Nachweismethoden für die Lebensmittel-, Medizin- und Umweltanalytik. Beiden Konzepten ist gemein, dass zunächst geeignete, analytisch oder synthetisch aktive funktionelle Einheiten erstmals produziert oder optimiert werden müssen: maßgeschneiderte Proteinporen zur Insertion in elektrisch adressierbare anorganische Membrantemplate (A3) und pflanzenvirusbasierte multivalente Proteingerüste mit verschiedenen darauf immobilisierten Enzymen (A6). Dafür kommen physikalische, chemische und bio- bzw. gentechnische Verfahren zum Einsatz. Sollen die nanodimensionierten Analyse- und Syntheseeinheiten nachfolgend in technisch nutzbare Baugruppen eingesetzt werden, stellt ihre ortsspezifische und aktivitätserhaltende Positionierung eine besondere Herausforderung dar. Hier kommen gerichtete, extern induzierte oder durch biophysikalische Prozesse getriebene nanometrische Bewegungen und biokompatible, meist selektiv ansprechbare strukturierte Substrate ins Spiel. Diese Elemente haben daher ihren festen Platz in nahezu allen Vorhaben des Projektbereichs A. Da momentan für die gezielte Verbringung von Kleinst-Strukturen an vorherbestimmte Wirkorte im Inneren von Bauteilen noch keine effizienten und breit einsetzbaren Verfahren existieren, ist besonders erfreulich, dass im Zusammenspiel der verschiedenen Projekte diverse „treibende Kräfte“ genutzt werden sollen. So besteht hier ein erhebliches Potential für synergistischen Erfahrungszuwachs. Intermolekulare Anziehungskräfte hydrophober Natur (zwischen Proteindomänen und Alkanschichten) werden zur Fixierung biologischer Membranporen in anorganischen Substraten vorgeschlagen (A3), spezifische bimolekulare Erkennungsreaktionen und Selbstassemblierungsprozesse kommen zum Aufbau nanotubulärer Protein-Template (A6) zum Einsatz. Damit wird im Kompetenznetz das Potential der funktionellen „Lab-on-a-Chip-“ oder Nanosensor-ähnlichen Anordnungen (A3, A6) in Richtung nanomechanisch aktiver, universeller einsetzbarer integrierter Systeme erweitert.
Die präparierten technischen Substrate verbinden diese Projektgruppe direkt mit den eher medizinisch orientierten Vorhaben, in denen nanoskalig funktionalisierte Grenzflächen spezifisch mit ganzen Zellen interagieren (A2, A7, A8). Dies führt zu einer innigen Vernetzung der Mikro-/Nanosystem-orientierten Arbeiten mit denen rund um biokompatible Nanomaterialien und -strukturen. Seine besondere Relevanz erhält dieses Thema durch immense Fortschritte und neue Erkenntnisse zu Gewebeersatz- und Stütz-Implantaten. Bisher unberücksichtigte Aspekte spezifischer Unterschiede zwischen einzelnen Zelltypen und Lebensstadien (A2) und deren mechanische Reaktion auf verschiedenartig nanostrukturierte Adhäsionsflächen (A7) werden mit neuer Methodik untersucht, die den Einsatz nanopartikulärer Fluoreszenzsonden einschließt. Die spezifisch modifizierten hydrophoben und hydrophilen Oberflächen, wie oben beschrieben z.T. mit spezifischen Liganden und Goldarealen (A2, A7) versehen, offerieren viele direkte Kooperationsmöglichkeiten mit Partnerprojekten im Bereich A. Ein Projekt (A8) wagt sogar den Schritt in Richtung funktionell miteinander verbundener lebender Zellen und technischer Funktionseinheiten: Ziel sind flächige Elektroden mit nanoskaligen Spikes, die in Zellkulturen und ggf. später als Gewebeimplantate ins Zellinnere inseriert Strom erzeugen, z.B. zum Betrieb von Herzschrittmachern oder Insulinpumpen.
Die somit im Kompetenznetz „KFN“ vereinigte und im Bereich A besonders große Spannbreite an chemisch-physikalischen und biologischen Präparationsverfahren erfordert entsprechend sorgfältige Qualitätskontrollen aller Teilschritte auf Struktur, Zusammensetzung und ggf. Aktivität und Viabilität (A2, A7, A8) der jeweils erzeugten Produkte. Am Ende stehen stets eingehende quali- und quantitative Funktionsstudien der bio/anorganischen Hybrid- und Komposit-Anordnungen. Hier profitieren die Projektnehmer in besonderem Maße von der bewährten engen Kooperation und räumlichen Nähe im KFN, da für nahezu alle Teilvorhaben auch Analysetechniken anderer Partner zusätzliche Informationen und damit grundsätzlich neue Erkenntnisse liefern können. Auf dem biologischen Sektor reichen die Untersuchungsmöglichkeiten von der molekularbiologischen, biochemischen und biophysikalischen Nukleinsäure- und Proteinanalytik (bes. A3, A6) über bildgebende und dynamische Verfahren bis hin zur Erfassung diverser Zellparameter (bes. A2, A7, A8). Die synthetischen bzw. anorganischen Bestandteile der neuen Produkte werden durch modernste, oft höchstauflösende Analysemethoden der Physik, Chemie und verschiedenste Mikroskopietechniken charakterisiert, wobei letztere interessante Querschnittsaufgaben für die verschiedenen Materialtypen einnehmen und daher in mehreren Spielarten genutzt werden können.
Durch seine ausgewogene Zusammensetzung kann der neu geschaffene Projektbereich A schließlich viele Brücken auch zu den anderen Projektbereichen schlagen. Dies betrifft zum einen verwandte Methoden zur Herstellung nanoskaliger Topographien und Architekturen, die durch wechselseitigen Austausch weiter verbessert werden können (z.B. über Selbstorganisationsprozesse größerer Moleküle und über Biotemplate in den Projekten A3, A6, B3, D6 und zur Grenzflächenpräparation in A2, A7, A8 und mehreren Projekten in B). Zum anderen ist nicht nur die qualitative Produktanalytik (z.B. mit adaptierten mikroskopischen Verfahren und Hilfsmitteln wie in C9, D3), sondern vor allem die kritische Funktionsanalyse der neuartigen Bauelemente und Hybride die gemeinsame Plattform einer Vielzahl von Vorhaben im gesamten Kompetenznetz (mit Fokus auf Detektions- und Auslesetechniken sowie Interpretation der Daten z.B. in A3, A6, B3, C4, D8; mit dem Schwerpunkt Energieerzeugung, -transport und -umwandlung in A8, B1, diversen Projekten in C). Dabei bringen die Lebenswissenschaften eine Reihe an schonenden hochentwickelten Untersuchungsmethoden erstmals in den Forschungsverbund ein, mit denen sich auch komplexe Interaktionen anorganischer bzw. synthetischer Nanostrukturen aus Projekten der Bereiche B bis D unter völlig neuen Aspekten analysieren lassen.